Jugoslawische Abtauschvariante im Königsinder

(1) Ivkov - Gligoric [E60]
Jugoslawien 1955

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sf3 Lg7 4.g3 0-0 5.Lg2 d6 6.0-0 c5 7.dxc5 dxc5

Dies ist die erste Ausgangsstellung der heutigen Lektion. 

8.Se5! Nach diesem Zug hat Schwarz nun eine weite Palette von möglichen Antwortzügen: 

8...Sbd7

Das Problem ist, dass dieser Springer den Lc8 blockiert, während der andere in gewisser Weise auf f6 festsitzt. Schwarz hat Schwierigkeiten sich zu entwickeln. Die nachfolgende Partie verdeutlicht einige der Schwierigkeiten, die Schwarz erwarten: 

9.Sd3 Dc7 10.Sc3 a6 11.Lf4! e5 12.Le3 Te8 13.b4! cxb4 14.Sxb4 e4 15.Tc1 b6 16.Sbd5 Dc6 17.Db3 Kh8 18.Db1! Dxc4 19.Sxe4 Dxe2 20.Sd6 Sxd5 21.Tfe1 Dh5 22.Sxe8 Se5 23.Sxg7 Sf3+ 24.Lxf3 Dxf3 25.Ld4 f6 26.Db3 1:0 Adorjan - Bancod (Manila, 1991); 

8...Sa6

Der Springer steht am Rand schlecht und stört sogar die Verteidigung des a-Bauern. Dies wurde gut demonstriert in Ehlvest - Byrne (New York, 1991):

9.Sc3 Tb8 10.Sd3 Sh5 11.Sb5! Le6 12.Db3 Db6 13.Le3 f5 14.Tad1 Lf7 15.Dc2 Da5 16.a3 e5 17.Sxc5 Sxc5 18.Lxc5 Tfc8 19.b4 Da6 20.Sd6 b6 21.b5 1:0; 

8...Db6

Die Dame steht hier unbequem. 

9.Sd3 Td8 10.Sc3 Sa6 11.Db3! Sd7 12.Lg5 f6 13.Le3 Tb8 14.Sb5 f5 15.Tad1 Te8 16.Da3+/- 
Die weißen Figuren sind wunderbar koordiniert, die schwarzen genau das Gegenteil. Angesichts des drohenden 17.Sc5 ist Schwarz in großen Schwierigkeiten. Lukic - Udovcic (Jugosl., 1955); 

8...Dc7

Die Dame steht auch hier nicht gut. Nach dem normalen 9.Sd3 gibt es zwei wichtige Beispiele: 

9...Sc6 10.Sc3 Lf5 11.Lf4 Da5 12.Ld2 Lxd3 13.exd3 Dc7 14.Le3 Tfd8 15.Lxc5 Se5 16.d4 Sxc4 17.De2 Sd6 18.a4!+/= Naidorf - Boleslawsky (Zurich, 1953). Das kraftvolle Laeuferpaar und das bessere Zentrum geben Weiss klaren Vorteil.

9...Sbd7 10.Sc3 a6 11.Lf4 e5 12.Ld2 Te8 13.Tc1 h5 14.b4!+/= Naidorf - Cantero (Montevideo, 1954). Die bessere Entwicklung und Kontrolle von d5 gibt Weiss spuerbares Plus.

8...Dxd1 9.Txd1

ist einfach unattraktiv fuer Schwarz, denn ohne Damen werden seine Probleme, den Damenflügel zu verteidigen, nur größer.

 

8...Sfd7

9.Sxd7 Dxd7! 

Schwarz muss durchweg sehr vorsichtig sein. Das ehrgeizigere 9...Sxd7?! erlaubt Weiß Druck im Mittelspiel nach 10.Db3 Sb6 11.Td1 Ld7 12.a4! De8 13.Sc3 Le6 14.Sd5 Lxd5 15.cxd5 Naidorf - Letelier (Mar del Plata, 1955). Der weiße Vorteil auf Grund des Läuferpaars und der aktiven Figuren ist deutlich.

10.Sc3 Sc6!

Weniger gut ist 10...Dxd1 11.Txd1 Sc6 12.Le3 Sd4 13.Td2 Tb8 14.Sd5 e6 15.Se7+ Kh8 16.Sxc8 Tfxc8 17.Tad1 Kg8 18.g4+/= Gligoric - Lukic (Jugosl., 1962). Die zwei Läufer und eventuelle Kontrolle der d-Linie erlauben Weiß einen kleinen, aber doch lästigen Vorteil.

11.Dd5 Dxd5 12.cxd5 Sd4 13.Lg5 f6

Auch 13...Te8 14.Tac1 Ld7 15.Tfe1 Tac8 Bulat - Gligoric (Jugosl., 1960) sieht nahezu gleich aus.

14.Ld2 Lg4 15.Tae1 Tac8= Meine Einschätzung ist, dass Weiß nach 16.h3 einen sehr geringen Vorteil behält. 1/2-1/2

(2) Yuferow - Lehmann [E65]

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sf3 Lg7 4.g3 0-0 5.Lg2 d6 6.0-0 c5 7.Sc3 Sc6 8.dxc5 dxc5

Die gleiche Idee mit dem Einschub der Züge Sc3 und Sc6 ist für Schwarz etwas gefaehrlicher. Unsere zweite Ausgangstellung.

9.Lf4

9...Sh5

9...Dxd1?! führt zu einem eindeutig schlechteren Endspiel: 10.Taxd1 Le6 11.Se5! Sh5 12.Sxc6 bxc6 13.Le3 Lxc4 14.Td2 Tac8 15.Lxc5+/- Johansson - Letelier (Moskau, 1956); 

9...Sd7?! ist zu passiv. Nach 10.Dc1 Sd4 11.Td1 Da5 12.Sxd4 cxd4 13.Sd5 e5 14.Lh6 Dd8 15.Lxg7 Kxg7 16.e3 dxe3 17.Dxe3 Te8 18.c5+/- bekam Weiß spürbares Übergewicht Larsen - Cuasnicu (Buenos Aires, 1983); 

9...Sd4?!

wurde früher lange diskutiert, aber Schwarz bekommt nicht mehr als ein schlechteres Endspiel. Ein gutes Beispiel: 10.Le5 Sc6 11.Dxd8 Txd8 12.Lc7 Tf8 13.Se5 Sd4 14.Sd3 Sd7 15.Tfd1 Te8 16.Tac1 a6 17.e3 Se6 18.Sd5 Ta7 19.Lb6 Sxb6 20.Sxb6 a5 21.b3 h5 22.h4 Lf6 23.Kf1+/- und der schwarze Damenflügel ist eingedost. Ribli - Gligoric (Linares, 1981); 

9...Le6!?

ist in Ordnung, wenn es perfekt behandelt wird. 

10.Se5 Sa5! 11.Da4 Sd7 12.Sxd7 Lxd7 13.Dc2 Sc6 14.Tad1 Sd4 15.Dd2 Lc6 16.Lh6 Lxg2 17.Kxg2 Dd7 
( 17...Lxh6 18.Dxh6 Dd7~~
da die weiße Dame auf h6 schlecht steht.) 18.Lxg7 Kxg7 19.e3 Dc6+ 20.f3+/= mit Vorteil für Weiß Schwartzmann - Sutowsky (Groningen, 1993); 

9...Ld7?!

sieht wirklich sehr bescheiden aus, doch mit Umsicht kann Schwarz seine Figuren gesund entwickeln. z.B. 10.Se5 Sxe5 11.Lxe5 Dc8 12.Db3 Lc6 13.e4 Td8 14.f4 e6+/= Weiß hat mehr Raum, aber Schwarz steht sehr solid. Ribli - Hulak (Indonesien, 1982)] 

10.Le3 Sd4 11.Dc1 Da5 12.Te1 Le6 13.Ld2

13...Dd8 
13...Lxc4? 14.Sd5+-; 13...Da6 14.b3 Sxf3+ 15.Lxf3 Sf6 16.Sb5 Tac8 17.Lc3 Tfd8 18.Td1 Txd1+ 19.Dxd1 Se8 20.Lxg7 Kxg7 21.Dd2 Db6 22.Td1!+/= Die vier verbleibenden weißen Figuren kontrollieren das Brett.
14.b3 Dd7
14...Te8 15.Sg5 Lc8 16.e3 Sc6 17.Sge4
15.Lh6 Tad8 16.Lxg7 Sxg7 17.Sg5 Lf5 18.Td1 Lc2 19.Td2 Df5 20.Sge4 Lxb3 21.Sd5 Txd5 22.cxd5 Lxd5 23.Dxc5 Sxe2+ 24.Txe2 Lxe4 25.Dxf5 Lxf5 26.Txe7+- 

Einige Buchhinweise zum Thema:

Vorbemerkung:

Die Buchhinweise stammen nicht von Michael, sondern von Martin Fischer. Da ich (Martin F.) mich mit dieser Variante bisher kaum beschäftigt habe, habe ich naturgemäß auch nichts darüber in meiner bescheidenen Bibliothek stehen.  Die jetzt folgenden Hinweise sind daher mehr als eine Auflistung der gefundenen Bücher zu verstehen denn als ein echter Buchtipp. Die Bemerkungen sind, wenn nicht anders erwähnt, spekulativer Natur.

Ganz generell sind natürlich Schachdatenbanken mit den entsprechenden Suchfunktionen für eine Beschäftigung mit einer bestimmten Eröffnung gut geeignet. Der Nachteil ist allerdings dass das Material dem Verwender unaufbereitet serviert wird.

Die folgenden Links sind auf die Seite der Firma Chessgate. Auch dies ist keine Kaufempfehlung meinerseits, sondern erfolgt vor allem deshalb, weil diese Seite komfortabel ist und einzelne Bücher ansprechbar sind.

Königsindisch mit g2-g2, Band 1, von Jerzy Konikowski, 2000, € 19,90

Das Buch ist mir nicht bekannt. Ganz generell fand ich die Eröffnungsbücher von Konikowski bisher wenig ansprechend und der Umstand, dass band 2 nach mehr als drei Jahren noch nicht auf dem Markt ist stellt für mich keine Kaufempfehlung dar.

Bronstein on The Kings Indian, David Bronstein, 1999, € 22,91

Dies ist kein Buch, das sich speziell mit dem Thema des heutigen Trainings beschäftigt. Tatsächlich wird der gesamte Königsinder behandelt. Es handelt sich allerdings um kein klassisches Eröffnungsbuch, sondern um den Versuch, typische Ideen und Manöver zu vermitteln. Der Name Bronstein steht in der Regel für gute Qualität, so dass für am Königsinder interessierte Spieler dies Buch sicher einen Versuch wert ist.

The Art of The Kings Indian, Eduard Gufeld, 2001, € 23,41

Besprechung von IM Stefan Reschke auf der Homapage von Chessgate: Es gibt Bücher, die sollte man als Fan von der Königsindischen Verteidigung einfach im Bücherschrank stehen haben. Großmeister Gufelds Buch ist mit Abstand das Beste, was ich in den letzten 20 Jahren an kommentierten Partien auf diesem Sektor gesehen habe. Der selbsternannte Michelangelo des Schachs präsentiert hier im Prinzip sein Lebenswerk - wie man die Königsindische Verteidigung aus seiner Sicht spielen sollte. Kommen wir zu den Fakten: 1. The Art of the King's Indian ist kein Theoriebuch sondern mehr eine Ideensammlung von 83 teilweise phantastisch kommentierten Partien (davon 53 von Gufeld selber gespielt) präsentiert auf 221 Seiten. 2. Partien bewegen sich im Zeitraum 1953 bis 1999. 3. Behandelt werden das Sämisch-System, die Klassische Variante mit 7. … Sc6, das Awerbachsystem 6. Lg5, die Fianchettovariante mit 6. … Sc6 und der Vierbauernangriff. Mein Fazit: Unbedingt kaufen!

Anmerkung von Martin: Mir haben die Partien von Gufeld meist besser gefallen als seine Bücher, allerdings sind beide zumeist sehr unterhaltsam.


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